Den Christen wurde in den ersten Jahrhunderten vorgeworfen, dass sich in ihren Gemeinden der Abschaum der Gesellschaft versammelt. Zöllner, Huren und Tagelöhner… jedenfalls übermäßig viele Leute aus den unteren sozialen Schichten. Auch Jesus wurde das immer wieder vorgeworfen, z.B. wenn er im Haus vom Geldeintreiber Zachäus übernachtet und nicht beim Bürgermeister oder dem Synagogenvorsteher. Bei Markus 5, 32 lesen wir, was die Schriftgelehrten zu Jesus sagten, als er bei einem Zöllner zu Gast ist: “Wenn du wirklich der Sohn Gottes wärest, dann wüsstest du, was das für schlechte Menschen sind.“ Jesus antwortet darauf mit: „Die Gesunden brauchen keinen Arzt aber die Kranken. Ich bin gekommen, um die Sünder zu rufen und nicht die Gerechten.“

Zu Jesus zu gehören war zumindest am Anfang unserer Kirchengeschichte ziemlich anrüchig und die gesellschaftliche Elite sammelte sich woanders. Unsere Jahreslosung sagt mehr, als dass wir ein großes Herz haben und hin und wieder für die Diakonie spenden sollten. Es geht für Jesus nicht allein darum, dass man sich um die Bedürftigen kümmern soll, sondern darum einzusehen, dass man selber dazu gehört zu den Bedürftigen.

Wie ist das nun bei uns heute – in unserer Blasiigemeinde hier in Nordhausen? Wenn ich mich mit diesem Blick so umschaue, dann sammeln sich bei uns sonntags im Gottesdienst auch die komischen Typen mit Problembiografien. Psychiatrieerfahrene, geistig und körperlich Eingeschränkte, Menschen, die in ihrer Ehe oder in ihrer Kindererziehung gescheitert sind, sexuell anders Empfindende, Ausländer und Zugezogene … Alles komische Leute die in der Regel eine oder auch mehrere Macken haben und einiges davon trifft auch auf mich zu. Auf Sie etwa nicht?

Wirklich nicht? Ich denke, es hat etwas damit zu tun, dass unser oberster Chef laut und deutlich und immer wieder (wie in unserer Jahreslosung) gesagt hat: „Ihr sollt keinen wegschicken, wenn er nach mir (Jesus) fragt.“ Das heißt nicht, dass es bei uns keine Regeln gibt und dass jeder machen kann, was er will. Wir sind nicht für alles offen und es ist uns nicht egal, wie wir und die Leute in unserer Gemeinde leben und wie wir miteinander umgehen. Aber jeder, der zu uns kommt und wirklich nach Jesus fragt, der bekommt eine echte Chance und erstmal einen Vorschuss an Vertrauen. Und das völlig unabhängig davon, ob er aufs Gymnasium oder in die Förderschule geht, ob Studierte oder Harzer und auch unabhängig davon welche sexuelle Orientierung er hat oder welche psychische Diagnose. Wir als Kirche können und dürfen uns die Leute eben nicht aussuchen, die zu uns kommen. Jedenfalls nicht, wenn wir wirklich Kirche im Sinne Jesus sein wollen.

Das Signal, dass die Ärmsten und Ausgestoßenen bei Jesus ihren Platz und Zuflucht haben, zeigt sich schon bei der Weihnachtsgeschichte, als zuerst die Viehhirten kommen dürfen. Und auch am Schluss seines irdischen Lebens hängt Jesus zwischen zwei Verbrechern am Kreuz und einem davon verspricht er sogar, noch am selben Tag im Paradies (also in Gottes Gegenwart) sein wird.Wir sind nicht zuerst ein Freundeskreis der sympathischen und elitären Leute sondern ein Sammelbecken für Menschen mit Defekten. Und dass ist auch gut so und das will Gott auch ganz genau so von uns haben.

Frank Tuschy,
Gemeindepädagoge der St. Blasiigemeinde