Seit dem Gründonnerstag hängt in St. Blasii das Lichtkreuz von Ludger Hinse. An 21 weiteren Orten in unserer Region können Sie seine Kunstwerke erleben. Wir haben den Künstler für Sie interviewt:

Wo kommen Sie her und was haben Sie sonst beruflich so gemacht?
Ich bin bin in einer Bergarbeiter-Familie in Recklinghausen aufgewachsen. Nach der Volksschule lernte ich Postschaffner bei der Deutschen Bundespost. Hier war ich auch Vorsitzender der Jugendvertretung. Ich kündigte die Beamtenlaufbahn, um mich auf die Begabtensonderprüfung vorzubereiten, mit der ich die Berechtigung zum Studium erwarb. 1968-1972 studierte ich Sozialarbeit in Bochum. Von 1968 bis 1970 war ich dort Vorsitzender des Allgemeinen Studentenrats. Meine Diplomarbeit ging zur Methodik und Didaktik außerschulischer Bildung am Beispiel der arbeitenden Jugend. Während eines Lehrauftrags unterrichtete ich Methodik und Didaktik an der Fachhochschule Bochum. Von 1972 bis 1974 machte ich Bildungsarbeit beim Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) und ab 1974 bei der IG Metall in Bochum. 1984 wurde ich Vorsitzender der IG Metall in Bochum; dieses Amt hatte ich 22 Jahre bis 2006 inne.

Wie kam es, dass Sie sich für die Kunst entscheiden haben bzw. wie war Ihr Weg dorthin?
Seit frühester Kindheit habe ich gemalt. Meine erste Ausstellung „Behüte die Träume“ war 1988 mit farbintensiven Bildern im Künstlerhof Kenkmannshof in Recklinghausen. Meine farbigen Arbeiten zu den Elementen fanden gleich öffentliche Anerkennung mit Ausstellungen in Bochum, Berlin, Emden, Wolfburg und anderen Orten. 1996 fand bei mir ein radikaler künstlerischer Umbruch statt. Die Farbe Weiß spielte fortan eine Hauptrolle. Meine weißen Arbeiten wurden in Gijon (Spanien), Paris und Berlin ausgestellt. Die größte Anerkennung war zur Jahrtausendwende die Ausstellung „Futuro en blanco“ im chilenischen Nationalmuseum in Santiago.


Wie kam es, dass in unserer Region eine so große Ausstellung mit Ihren Kunstwerken gezeigt wird?
Durch das Engagement vor allem von Pastorin Sabine Wegner. Dann kam Regina Englert dazu und viele weitere engagierte Menschen.Wie sind Sie darauf gekommen, religiöse Kunstwerke zu erschaffen?
Eine Schlüsselszene habe ich auf meiner Chile-Ausstellung 1998 erlebt. Ein chilenischer Künstler erzählte von Frauen, Mütter, Witwen, die gegen das Pinochet-Regime protestierten, weil sie ihre Kinder, ihre Söhne, ihre Männer durch Gewalt verloren hatten. Diese Frauen hielten einfache Holzkreuze in die Höhe – sichtbar für alle als politisches und humanes Schutzzeichen, vor dem das Militär zurückschreckte. Das hat mich fasziniert, seitdem lassen mich die Gedanken über das Kreuz nicht los. In mir war die Bereitschaft, mich mit der Mehrdeutigkeit der Kreuzesform zu beschäftigen und sie als Verständigungszeichen einzusetzen.

Wie sind die Reaktionen der Kirchenbesucher auf Ihre Kunstwerke?
Am Anfang meiner Arbeit zum Kreuz war ich davon überzeugt, dass Leidenskreuze oder das Kreuz der Erinnerung den größten Widerspruch auslösen. Im Lauf meiner Arbeit musste ich feststellen, das dies nur zum Teil stimmt. Den größten Widerspruch lösten bei einigen wenigen Vertretern des Klerus die Lichtkreuze aus. So wurde mir vorgehalten, dass meine Kreuze zu schön seien. Ein Pfarrer war froh, dass das große Kreuz der Auferstehung wieder aus seiner Kirche verschwand, weil „die Kirchenbesucher nur noch auf das Kreuz schauen und nicht mehr auf das Wort Gottes hören.“ An anderer Stelle war es so, dass ein Pfarrer sich weigerte unter dem Sonnenkreuz zu zelebrieren. Das Kreuz musste deshalb in der Kapelle eines Gymnasiums abgehängt werden. Die Kinder und Jugendlichen haben dazu geschrieben: „Wir glauben aber, das Gott sich über das Kreuz gefreut hat.“ Bei den Besuchern, Gläubigen und bei dem Großteil des Klerus lösen die Lichtkreuze Zustimmung und Begeisterung aus.


Warum machen Sie eigentlich vor allem bunte Kreuze? Eigentlich steht das Kreuz doch für eine grausame Hinrichtungsmetode und den Tod Jesu?
Für mich steht das Kreuz nicht so sehr für den verurteilten Jesus Christus, für dessen brutale Kreuzigung und den Tod. Ich verstehe das Kreuz als Erlösung, als Hingabe, als Licht, das Leben und Tod überstrahlt. Es geht um das österliche Wort vom Kreuz, um das Symbol göttlicher Liebe. Bis zum Ende des ersten Jahrtausends blieb das Kreuz immer ein Triumphkreuz, ein Lebensbaum, die Darstellung einer letztendlich wunderbaren Geschichte, über die wir uns freuen können. Selbstverständlich weiß ich um die Schatten in uns, in unserer Gesellschaft, z.B. im Ausgrenzen vieler von Wohlstand und Zufriedenheit. Das Kreuz Jesu ist ein Ärgernis. In der Kunst wurde der gefolterte Kruzifixus seit der Gotik dargestellt. Diese Darstellung ist auch heute für viele schwer verständlich. Aber das Herausfordernde und wirklich Anstößige ist nicht das Kreuz, sondern die Osterbotschaft vom gekreuzigten Auferstandenen. Die rettende Treue Gottes ist stärker als die brutalste Gewalttat und die vermeintlich sinnloseste Sterbensdramatik. Diese Sicht revolutionierte die Verhältnisse, ermöglichte Vergebungsbereitschaft und Widerstandskraft, verpflichtete zu einer Kultur der Feindesliebe und der Gewaltlosigkeit. Durch den Glauben an die Auferstehung wird das Kreuz zum Lebenszeichen.

Gehören Sie selber zu einer Kirche?
Ja, ich bin katholisch.

Gibt es darüber hinaus noch Themen, für die Sie sich engagieren?
Ich engagiere mich für die Menschenrechte z.B. bei Amnesty International.

Kann man eigentlich von solcher Kunst leben?
Ja, aber bescheiden.


Gibt es eine Bibelstelle, die Sie besonders inspiriert bzw. Ihnen besonders wichtig ist?
Ja! Das himmlische Jerusalem aus der Offenbarung des Johannes. Es gibt aber viele weitere Bibelstellen die mich berühren, z.B. als Moses die 10 Gebote bekam. Er war so voller Licht, dass er sein Haupt verhüllen musste.

Die Fragen stellte Frank Tuschy.

Kategorien: Aktuelles