„Das Konzert hatte eine phantastische Stimmung und Energie“, freut sich Kantor Michael Goos nach der Aufführung des Weihnachtsoratoriums in St. Blasii in Nordhausen mitten im Sommer. Schmunzelnd erzählt er, dass sich sogar seine Krawatte sommerlich feucht anfühlte, als sei sie Gast in einer Sauna gewesen.


Es sind nicht die großen Heerscharen zum Konzert erschienen – zu groß ist vermutlich aktuell das kulturelle Angebot in Stadt und Land. Jede Kirchengemeinde, jedes Dorf holt die ausgefallenen Veranstaltungen derzeit nach. Groß bei manch einem vielleicht auch die Zweifel an diesem ausgefallenen Projekt. Groß war am Ende des Abends aber auch der Applaus für alle Akteure.


„Natürlich war das Publikum zahlenmäßig nicht mit dem der Weihnachtszeit zu vergleichen, aber die, die da waren, waren total angetan von diesem Konzerterlebnis und standen hinterher noch lange am kleinen Johannisfeuer vor der Kirche“, erzählt Michael Goos. Und ein O-Ton vom Feuer: „Die Freude der Aufführenden war spürbar. Und es passt zwar nicht zur Stilistik, aber das Konzert hat total GEROCKT.“


WO mitten im Sommer?


Wenn mitten im Sommer ein Weihnachtsoratorium erklingen soll – nun ja, dann wirft einem das zunächst einige Fragezeichen auf die Stirn. Kantor Michael Goos konnte dieses Konzert jedoch fein begründen und das nicht nur mit dem coronabedingten Ausfall im Advent. Wie baut man solch eine Sommerweihnacht auf? „Jauchzet, frohlocket“ – die jubelnden Töne des Eingangschors aus Bachs Weihnachtsoratorium gehören für viele Menschen untrennbar zu den (vor)weihnachtlichen Erlebnissen, ohne die es nur schwer Weihnachten werden kann. Darum durfte dieses Stück natürlich auf keinen Fall fehlen – Sommer hin oder her. Neben der 1. Kantate „Jauchzet, frohlocket“ und der 4. Kantate „Fallt mit Danken“ stand in diesem Jahr die Kantate BWV 10 „Meine Seele erhebt den Herren“ auf dem Programm.


Ein ungewöhnliches Projekt, das durchaus polarisiert. Auf die Frage: „Warum im Sommer?“, entgegnet Kantor Michael Goos: „Warum eigentlich nicht?“ Die Erklärung folgt auf den Fuß.
Die Kantate, die das Programm ergänzte, erzähle gewissermaßen die Vorgeschichte zum Weihnachtsoratorium, so Goos. Maria habe von einem Engel erfahren, dass sie den Heiland der Welt gebären wird. Sie besucht daraufhin ihre Cousine Elisabeth und auf dem Rückweg singt Maria ihren Lobgesang, das „Magnificat“. Und eben diesen Lobgesang vertonte Bach in seiner Kantate, die für das Fest „Mariae Heimsuchung“ entstand – am 2. Juli 1722. Elisabeth ist übrigens die Mutter von Johannes, dem Täufer, der später dann Jesus im Jordan tauft. Und am 24. Juni – ein halbes Jahr vor Weihnachten – feiern die Kirchen eben jenen Johannes den Täufer. Auf den Dörfern rings um Nordhausen brannten daher Johannisfeuer – in St. Blasii feierte man in diesem Jahr musikalisch.


Am Johannistag waren in St. Blasii die Nordhäuser Kantorei, die Solisten Amelie Petrich, Anja Daniela Wagner, Stephan Scherpe und Stephan Heinemann, begleitet vom Mitteldeutschen Kammerorchester unter Leitung von Kantor Michael Goos zu erleben.